Die schweizerischen Commons im europäischen Kontext – Historical forms of sustainability, models for the future?

In der Schweiz besitzen Commons-Institutionen wie Bürgergemeinden, Korporationen, Bourgeoisies und Patriziati umfangreiche Landflächen. Besonders ausgeprägt trifft dies auf die Berggebiete zu, wo ihr Eigentum an Alpweiden und Wäldern teilweise beträchtliche Anteile der Kantonsflächen umfasst; schweizweit befinden sich nahezu zwei Drittel der Alp- und Waldflächen im Besitz von Korporationen und Gemeinden. Zudem sind diese Institutionen als (Mit)Inhaberinnen von Immobilien, touristischen Anlagen, kulturellen Institutionen und Energieanlagen (z.B. Wasserkraftwerke, Holzheizungsanlagen) wichtige politische und wirtschaftliche Akteure. Obschon diese neueren Einnahmequellen stabile finanzielle Erträge generieren, stehen viele, vor allem kleinere Commons-Institutionen ökonomisch unter Druck, da die relativen Preise in der Alp- und Forstwirtschaft seit der Mitte des 20. Jahrhunderts stark zurückgegangen sind. 

Kästeilet im Justistal, Kanton Bern. Die Erzeugnisse aus der kollektiven Alpwirtschaft werden nach ausgefeilten Prinzipien und Abläufen auf die Berechtigten verteilt. Aus: H. Brockmann-Jerosch: Schweizer Volksleben, Zürich 1929/1931.

Die meisten Commons-Institutionen können eine Geschichte vorweisen, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Sie sind auf Langlebigkeit angelegt, Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil und Problemkreis ihres Daseins. Man kann sie mit Blick auf ihre lange Geschichte als «Laboratorien der Nachhaltigkeit» bezeichnen, welche die heutige reichhaltige Kulturlandschaft mitgeprägt haben. Im Zug der aktuellen Debatten um den zukünftigen Umgang mit lokalen Ressourcen (Sustainable Development Goals) ist es daher naheliegend, ja eigentlich zwingend, sie als historisches und gegenwärtiges Phänomen genau zu untersuchen.

Die Allmende der Berner Burgerschaft im 18. Jahrhundert. Zu erkennen sind beispielsweise die heutigen Stadtquartiere Kirchenfeld, Wankdorf und Wyler. Grundriss vom Stadtbezirk «untenaus», gezeichnet von J.R. Müller (1797/1798). Stadtarchiv Bern.

Die Schweiz gilt als «Commons-Lab», als Staat, der aufgrund seiner föderalistischen Struktur eine hohe Dichte an unterschiedlichsten Formen von kollektiver Ressourcennutzung aufweist. Kollektives Eigentum ist allerdings kein schweizerisches Phänomen, sondern in vielen europäischen Ländern anzutreffen.

Korporationsgemeinde in Altdorf Anfang Mai 2019. Ein Korporationsbürger stellt vom Podest aus einen mündlichen Antrag an die Versammlung. Die Korporation Uri verbindet traditionelle Rituale mit modernem Management von Alpen, Wäldern, Gewässern und anderen Ressourcen. Sie ist die wohl grösste Körperschaft in der Schweiz und ist Eigentümerin von rund 70 Prozent der Fläche des Kantons Uri. Photo: Peter Studer/Pipaluk Minder

Unsere Plattform hat das Ziel, die Commons-Forschung in der Schweiz zu stärken und sie vermehrt in einen internationalen Kontext zu stellen. Dabei ist es uns ein Anliegen, im Sinn einer transdiziplinären Herangehensweise in direkten Austausch mit den Commons-Akteuren zu gehen.