Die Toten von Bern

Archäologischer Dienst des Kantons Bern (2020)

Projektbeschreibung

Was erzählen uns Knochenfunde, alte Gerichtsakten und vergessene Grabstätten über das Leben und Sterben in der Vergangenheit? Das Projekt „Die Toten von Bern“ nimmt sich dieser Frage an und macht sich auf die Spurensuche nach den oft übersehenen Lebensgeschichten der einfachen Bevölkerung im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bern.

Im Zentrum stehen einerseits menschliche Überreste aus Hinrichtungsstätten, Pestgruben, Schlachtfeldern oder ehemaligen Friedhöfen – Spuren, die bisher eher wenig erforscht oder dokumentiert wurden. Ergänzt werden diese durch schriftliche Quellen wie z.B. die Berner Turmbücher, Sterberödel oder Dokumente aus den historischen Spitälern, die detaillierte Einblicke in lange vergangene Sterbeprozesse und Sterberituale gewähren.

Unser Ziel ist es, ein Bild vom alltäglichen Leben und Sterben in vergangenen Jahrhunderten zu zeichnen – jenseits der bekannten Erzählungen über Könige, Kriege und Stadtmauern. Wir planen, dafür Fachwissen aus Geschichte, Archäologie, Digital Humanities, Sozialanthropologie und Forensik zusammenzubringen. Von dieser interdisziplinären Zusammenarbeit erwarten wir neue Perspektiven und Zugänge zum sozialen Leben und Sterben in einer Zeit grosser Umbrüche. 

News zum Projekt

Wir unterhalten eine Mailingliste, über die wir neue Erkenntnisse teilen. Auch Ankündigungen zu Events oder die Publikation neuer Blogbeiträge werden über die Mailingliste verbreiten. Alle interessierten Personen können sich hier eintragen.

Über uns

Prof. Dr. Regula Schmid Keeling, Historisches Institut, Universität Bern

Prof. Dr. Armand Baeriswyl, Institut für Archäologische Wissenschaften, Universität Bern

Dr. des. Christa Schneider, Digital Humanities, Universität Bern

Blog-Beiträge

Ausflug "zu den Toten" nach Burgdorf

Im Rahmen unseres Projektes konnten wir bereits eine kleine Exkursion nach Burgdorf unternehmen. An einer Stadtführung über Richter, Hexen & Henker, geführt von Lorenz Rebmann, durften wir mehr über die düstere Seite von Burgdorf erfahren. Auf den Spuren von Verurteilten wanderten wir durch die Gassen und hörten Geschichten längst vergangener Gräueltaten.

Bildquelle: Chronicon mundi germanicum usque ad destructionem urbis Ierusalem, Historienbibel, 1463. (Österreichische Nationalbibliothek)

Tod und Vorschriften: Bestattungsordnungen im alten Bern

Durchforstet man die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bern, stösst man auf eine Reihe bemerkenswerter und teils ungewöhnlicher Gesetze, welche von Rat und Schultheiss erlassen wurden. Dazu gehören unter anderem Kleiderordnungen, Glückspielverbote oder Vorschriften, wie nach einem Brand wieder gebaut werden darf. Dementsprechend überrascht es nicht, dass es auch zahlreiche Regelungen bezüglich Bestattungen und Trauergottesdiensten gab.

«Das man mit lichen nit costen haben sol»

Vor allem im Jahr 1370 wurden einige solche Gesetze erlassen. Es wurde festgelegt, dass niemand nach dem Tod eines Bürgers oder einer Bürgerin übermässig viele Gäste zu den Trauerfeiern einladen durfte. Maximal zehn Personen durften an der Trauerfeier teilnehmen. Eine Ausnahme bildeten Priester, Geistliche und Arme: Von ihnen konnten beliebig viele eingeladen werden, damit man ihnen Almosen verteilen konnte. Wer gegen diese Vorschriften verstiess, musste Bussgelder zahlen und konnte sogar aus der Stadt verwiesen werden.

«Das die geselschaften nit über die greber gangen»

Ausserdem wurde festgelegt, dass Frauen während des Trauergottesdienstes, am siebten und dreissigsten Tag nach der Beerdigung oder an Jahrzeiten keine Danksagungen an Helferinnen und Helfer aussprechen durften. Solches Danken galt in den Augen des Rats als Eitelkeit und brachte der Seele keinen Nutzen. Ebenso war es grösseren Gesellschaften (Bruderschaften, Zünften, organisierten Gruppen etc.) verboten gemeinsam über die Gräber zu ziehen. Auch hier lag die Begründung darin, dass darin kein Nutzen für die Seele liegt und dieses Privileg den engsten Familienangehörigen des Verstorbenen vorbehalten werden sollte. Auch hier drohten beim Vergehen Busse und ein Stadtverweis.

«Wie vil man sol geben ze lüten vnd ze begraben»

1439 folgten weitere Bestimmungen, diesmal bezüglich den Löhnen des Sigristen und des Totengräbers. Es wurde eine feste Gebührenordnung eingeführt, welche abhängig davon war, welche Glocke bei einem Trauergottesdienst geläutet wurde. Gleichzeitig wurde aber verboten dem Sigristen und dem Totengräber zusätzliche Geschenke wie Essen und Trinken zu machen. Die Löhne wurden folgendermassen festgesetzt:

  • Wenn mit dem «cleinen gloegglin» geläutet wird: 1 Schilling fürs Läuten, 1 Schilling fürs Graben.
  • Wenn mit der Nonnglocke geläutet wird: 3 Schilling fürs Läuten, 4 Schilling fürs Graben.
  • Wenn mit der Messglocke geläutet wird: 5 Schilling fürs Läuten, fürs Graben 6 Schilling.
  • Wenn mit der alten, großen Glocke geläutet wird: 6 Schilling fürs Läuten, 7 Schilling fürs Graben und 1 Gulden dem St. Vinzenzstift.
  • Wenn mit der größten Glocke geläutet wird: fürs Läuten 8 Schilling, fürs Graben 8 Schilling, und 1 Gulden dem St. Vinzenzstift.

Neben den bereits erwähnten Gesetzen gab es noch zahlreiche weitere Regelungen bezüglich Bestattungen, etwa darüber, wer zu welchem Zeitpunkt die Gräber besuchen durfte. Insgesamt zeigen die Bestattungssatzungen, dass die Berner Obrigkeit im Spätmittelalter grossen Wert auf strikte Regeln bei Bestattungen legte und auch im Umgang mit den Toten für Ordnung zu sorgen versuchte.

Quellen:

SSRQ BE I/1–2, Nr. 226-228, 231, 232, 234, S. 325-328.

Bildquelle: Berner Staatsarchiv B IX 589a Sieden zweier Männer in ÖL 1392 (Schiling, Spiezer Chronik, S. 506.)

Der Preis des Todes – Eine Henkerrechnung von 1748

Es ist das Jahr 1748. Christian Rüfenacht steht erneut vor Gericht. Es ist nicht das erste Mal, dass er mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Es wurden ihm in der Vergangenheit schon verschiedene Diebstähle zur Last gelegt, doch bis jetzt kam er noch einigermassen glimpflich davon. Dieses Mal sieht es doch anders aus. Dieses Mal wurde er des Nachts mit einem Prügel bewaffnet ertappt. Er war mit einigen anderen Personen unterwegs auf einem Raubzug. Als er entdeckt wurde, kam es zu einem mörderischen Kampf, doch schliesslich konnte er festgesetzt werden. Seine Komplizen konnten jedoch entkommen.

Im einem Turmbuch des Schlosses Trachselwald ist das Urteil im Fall von Christian Rüfenacht niedergeschrieben. Er wird wegen Diebstahls und Raubes zum Tod durch den Strang verurteilt. Dieses strenge Urteil wird durch die Bedrohung der Sicherheit der Allgemeinheit begründet. Er und seine Taten sollen aus der «gesellschaft ausgetilgget» werden.

Am 21. Mai 1748 wurde Christen Rüfenacht schliesslich in Ranflüh hingerichtet. Im Bernischen Historischen Museum ist uns die Henkerrechnung seiner Hinrichtung erhalten. Verfasst wurde die Rechnung durch Joseph Hotz (geb. 1691). Er war von 1717 bis 1762 der Scharfrichter von Bern.

Im Mai 1748 reiste Joseph Hotz nach Ranflüh, dem Ort des Hochgerichts der Landvogtei Trachselwald. Die Reise (hin und zurück) dauerte damals wohl drei Tage zu Pferd, denn in der Rechnung führte Joseph Hotz einen ‘Ritlohn’ von drei Tagen und die Leihgebühr eines Pferdes mit Geschirr für zusammengenommen 17 Pfund auf. Des Weiteren stellte er Spesen von acht Pfund für die Mahlzeiten in Rechnung. Der Scharfrichter veranschlagte ausserdem drei Pfund für das Überführen des Gefangenen nach Ranflüh. Es muss wohl zu einer Verzögerung bei der Verkündung des Urteils gekommen sein, denn auch eine Wartezeit auf das Urteil wurde berechnet. Die Wartezeit kostete das Landgericht ungefähr eineinhalb Pfund.

Die Hinrichtung selbst kostete die Landvogtei neun Pfund. Dazu kamen noch eineinhalb Pfund für das Aufstellen der Leiter beim Galgen. Auf dieser Leiter wurde dem Verurteilten dann später der Strick um den Hals gelegt. Auch dieser Strick wurde separat berechnet. Dazu kam noch der Preis für die Handschuhe des Nachrichters für insgesamt ein Pfund.

Die Rechnung an die Landvogtei Trachselwald belief sich auf 41 Pfund (entspricht etwas über 300 Batzen). Das klingt erstmal nach wenig, doch im Vergleich mit einem zeitgenössischen Lohn, ergibt sich ein etwas klareres Bild. Ein Handwerker verdiente je nach Profession und Stand zwischen 6 und 8 Batzen. 41 Pfund sind also keine Kleinigkeit.

Quellen und Literatur:

Staatsarchiv des Kanton Berns, Turmbuch des Schlosses Trachselwald 1713-1797 (B IX 589a).

Bernisches Historisches Museum, Henkerrechnung (Inventarnr. H/38852).

Henzi, Hans: Auf der Spur von Scharfrichtern in und aus Herzogenbuchsee, in: Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 11, 1968.

Studer, Christoph: ‘Unvollständige’ Aufstellung von Geld, Gewichten und Massen in der Stadt, dann in der Republik, im Kanton, wieder in der Republik und erneut im Kanton Bern, ab 1218 bis 1877, 19.05.2021.Online: <https://www.studer-schweiz.ch/downloads/massegewichtegeldbern.pdf>, Stand: 24.09.2025.

Kröner, Valentin, Wunderzeichen, 1573. ZBZ PAS II 10/28. DOI: 10.7891/e-manuscripta-92259.

Totbeterei: Wie eine Familie versuchte, ihren Schwiegersohn «wegzubeten»

Im Frühjahr 1753 befasste sich das Chorgericht der Stadt Bern mit einem ungewöhnlichen Fall: Totbeterei – dem Versuch, jemanden durch Gebete umzubringen. Sieben Personen sassen auf der Anklagebank: Abraham Bähler, Jacob Spissmann, ein angeblicher Klosterschaffner namens Franz, Christen Schneider, Christen Ischer, dessen Frau Barbara Ischer sowie ihre Tochter Barbara Eggenberg. Aus den Verhören geht hervor, dass die junge Barbara Eggenberg mit ihrem Ehemann unglücklich war und sich von ihm trennen wollte. Da dies im 18. Jahrhundert aber noch nicht so einfach ging wie heute, schmiedete sie zusammen mit ihren Eltern einen Plan. Der ehemalige Badeknecht Abraham Bähler sollte bezeugen, er habe den Ehemann beim unzüchtigen Verkehr mit einer anderen Frau ertappt. Bähler wies die Familie zuerst zwar ab, kehrte aber acht Tage später zurück und informierte Frau Ischer über die Möglichkeit, den Tod des Schwiegersohns durch Totbeten herbeizuführen. Er habe dafür einen Kontakt beim Franziskanerkloster von Fribourg, den Klosterschaffner Franz, der die Klosterbrüder gegen Bezahlung dazu bringen könne, für den Tod des Schwiegersohns zu beten. Die Familie willigte ein, suchte Franz in Fribourg auf und bezahlte ihm 70 Kronen. In der Folge verlangte Franz aber immer mehr Geld, unter anderem auch für Jacob Spissmann, der als Bote eingesetzt wurde. Spissmann war es schlussendlich, der die Behörden auf den Fall aufmerksam machte - obwohl er zuvor von Ischer einen Louis d’or und zwei Taler als zusätzliches Schweigegeld erhalten hatte.

Bei der Urteilsverlesung traf es Abraham Bähler am härtesten. Er wurde ausgepeitscht und auf ewig aus der gesamten Eidgenossenschaft verbannt. Jacob Spissmann wurde für drei Jahre aus bernischem Gebiet verwiesen. Die Familie Ischer kam vergleichsweise glimpflich davon, Vater und Mutter mussten für je 14 Tage ins Gefängnis, die Tochter für nur zwei. Der Klosterschaffner Franz, welcher sich als einfacher Schreinergeselle entpuppte, konnte nicht gefasst werden.

Auch wenn es sich hier letztlich nur um einen raffinierten Betrug handelte und die Franziskaner von Fribourg niemals tatsächlich ein Totgebet für Barbara Eggenbergs Ehemann sprachen, zeigt diese Episode, wie viele Menschen damals an solche Praktiken glaubten. Es ist wahrscheinlich, dass manche Leute des 18. Jahrhunderts anderen Menschen im Gebet den Tod wünschten, obwohl dies vermutlich nicht die Franziskaner aus Fribourg waren.

Dass die Totbeterei bereits im Mittelalter ein weit verbreitetes Problem war, belegt ein Verbot aus der Trierer Synode von 1227: «Niemand darf aus Hass für einen Lebenden eine Totenmesse singen oder eine Totenbahre mit dessen Namen in der Kirche aufstellen und das Totenoffizium dabei singen, dass er bald sterbe.»

Literatur:

Dürig, Walter. «Die Verwendung des sogenannten Fluchpsalms 108 (109) im Volksglauben und in der Liturgie.» In: Münchener Theologische Zeitschrift 27 (1976): 71-84.

Wagner, Ernst. «Totbeterei im 18. Jahrhundert.» In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 4 (1942): 45-48.

Sieden zweier Männer in ÖL 1392 (Schiling, Spiezer Chronik, S. 506.)

Geköpft, erhängt, oder verbrannt?

Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit gab es eine Bandbreite an Todesstrafen. Der Tod war nach der zeitgenössischen Rechtsprechung eine gängige Strafe für die schwersten Verbrechen. Dazu gehörten schwerer Diebstahl, Raub, Brandstiftung, Mord und verschiedene Religionsdelikte wie Satansanrufung oder Hexerei.

Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde das Hinrichtungswesen der Stadt Bern nun eingehender angeschaut. Speziell die Jahre 1580 bis 1690 wurden ausgewertet und es haben sich interessante Zahlen ergeben. In diesem Zeitabschnitt wurden 236 Personen hingerichtet. Das klingt zunächst nach viel, aber entspricht im Durchschnitt etwas mehr als zwei Personen im Jahr.

Mehr als die Hälfte wurde dabei enthauptet. Der Tod durch das Schwert galt als die mildeste Todesstrafe, da im Optimalfall ein Schwertstreich ausreichte, um den Verbrecher zu töten. Der Tod durch den Strang war um einiges qualvoller. Beim Erhängen reichte die Höhe meistens nicht aus, um zum Genickbruch zu führen, und der Straftäter erstickte langsam. 32 Personen wurden in dieser Zeit erhängt. Weitere 25 Personen wurden verbrannt, eine Strafe, die bevorzugt bei Verbrechen gegen die Religion gebraucht wurde, da dabei der Körper und das begangene Unrecht komplett ausgelöscht wurden. In der Aare wurden 13 Straftäter ertränkt. Der qualvollste Tod war jedoch der durch das Rad. Von 1580 bis 1690 wurden 22 Personen systematisch durch ein Rad die Gliedmassen zertrümmert und anschliessend auf dieses gebunden. Das Rad wurde anschliessend aufgerichtet und die teilweise noch lebenden Verbrecher den Tieren und der Witterung überlassen.