Totbeterei: Wie eine Familie versuchte, ihren Schwiegersohn «wegzubeten»
Im Frühjahr 1753 befasste sich das Chorgericht der Stadt Bern mit einem ungewöhnlichen Fall: Totbeterei – dem Versuch, jemanden durch Gebete umzubringen. Sieben Personen sassen auf der Anklagebank: Abraham Bähler, Jacob Spissmann, ein angeblicher Klosterschaffner namens Franz, Christen Schneider, Christen Ischer, dessen Frau Barbara Ischer sowie ihre Tochter Barbara Eggenberg. Aus den Verhören geht hervor, dass die junge Barbara Eggenberg mit ihrem Ehemann unglücklich war und sich von ihm trennen wollte. Da dies im 18. Jahrhundert aber noch nicht so einfach ging wie heute, schmiedete sie zusammen mit ihren Eltern einen Plan. Der ehemalige Badeknecht Abraham Bähler sollte bezeugen, er habe den Ehemann beim unzüchtigen Verkehr mit einer anderen Frau ertappt. Bähler wies die Familie zuerst zwar ab, kehrte aber acht Tage später zurück und informierte Frau Ischer über die Möglichkeit, den Tod des Schwiegersohns durch Totbeten herbeizuführen. Er habe dafür einen Kontakt beim Franziskanerkloster von Fribourg, den Klosterschaffner Franz, der die Klosterbrüder gegen Bezahlung dazu bringen könne, für den Tod des Schwiegersohns zu beten. Die Familie willigte ein, suchte Franz in Fribourg auf und bezahlte ihm 70 Kronen. In der Folge verlangte Franz aber immer mehr Geld, unter anderem auch für Jacob Spissmann, der als Bote eingesetzt wurde. Spissmann war es schlussendlich, der die Behörden auf den Fall aufmerksam machte - obwohl er zuvor von Ischer einen Louis d’or und zwei Taler als zusätzliches Schweigegeld erhalten hatte.
Bei der Urteilsverlesung traf es Abraham Bähler am härtesten. Er wurde ausgepeitscht und auf ewig aus der gesamten Eidgenossenschaft verbannt. Jacob Spissmann wurde für drei Jahre aus bernischem Gebiet verwiesen. Die Familie Ischer kam vergleichsweise glimpflich davon, Vater und Mutter mussten für je 14 Tage ins Gefängnis, die Tochter für nur zwei. Der Klosterschaffner Franz, welcher sich als einfacher Schreinergeselle entpuppte, konnte nicht gefasst werden.
Auch wenn es sich hier letztlich nur um einen raffinierten Betrug handelte und die Franziskaner von Fribourg niemals tatsächlich ein Totgebet für Barbara Eggenbergs Ehemann sprachen, zeigt diese Episode, wie viele Menschen damals an solche Praktiken glaubten. Es ist wahrscheinlich, dass manche Leute des 18. Jahrhunderts anderen Menschen im Gebet den Tod wünschten, obwohl dies vermutlich nicht die Franziskaner aus Fribourg waren.
Dass die Totbeterei bereits im Mittelalter ein weit verbreitetes Problem war, belegt ein Verbot aus der Trierer Synode von 1227: «Niemand darf aus Hass für einen Lebenden eine Totenmesse singen oder eine Totenbahre mit dessen Namen in der Kirche aufstellen und das Totenoffizium dabei singen, dass er bald sterbe.»
Literatur:
Dürig, Walter. «Die Verwendung des sogenannten Fluchpsalms 108 (109) im Volksglauben und in der Liturgie.» In: Münchener Theologische Zeitschrift 27 (1976): 71-84.
Wagner, Ernst. «Totbeterei im 18. Jahrhundert.» In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 4 (1942): 45-48.