Die Toten von Bern

Archäologischer Dienst des Kantons Bern (2020)

Projektbeschreibung

Was erzählen uns Knochenfunde, alte Gerichtsakten und vergessene Grabstätten über das Leben und Sterben in der Vergangenheit? Das Projekt „Die Toten von Bern“ nimmt sich dieser Frage an und macht sich auf die Spurensuche nach den oft übersehenen Lebensgeschichten der einfachen Bevölkerung im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bern.

Im Zentrum stehen einerseits menschliche Überreste aus Hinrichtungsstätten, Pestgruben, Schlachtfeldern oder ehemaligen Friedhöfen – Spuren, die bisher eher wenig erforscht oder dokumentiert wurden. Ergänzt werden diese durch schriftliche Quellen wie z.B. die Berner Turmbücher, Sterberödel oder Dokumente aus den historischen Spitälern, die detaillierte Einblicke in lange vergangene Sterbeprozesse und Sterberituale gewähren.

Unser Ziel ist es, ein Bild vom alltäglichen Leben und Sterben in vergangenen Jahrhunderten zu zeichnen – jenseits der bekannten Erzählungen über Könige, Kriege und Stadtmauern. Wir planen, dafür Fachwissen aus Geschichte, Archäologie, Digital Humanities, Sozialanthropologie und Forensik zusammenzubringen. Von dieser interdisziplinären Zusammenarbeit erwarten wir neue Perspektiven und Zugänge zum sozialen Leben und Sterben in einer Zeit grosser Umbrüche. 

Über uns

Prof. Dr. Regula Schmid Keeling, Historisches Institut, Universität Bern

Prof. Dr. Armand Baeriswyl, Institut für Archäologische Wissenschaften, Universität Bern

Dr. des. Christa Schneider, Digital Humanities, Universität Bern

Blog-Beiträge

Kröner, Valentin, Wunderzeichen, 1573. ZBZ PAS II 10/28. DOI: 10.7891/e-manuscripta-92259.

Totbeterei: Wie eine Familie versuchte, ihren Schwiegersohn «wegzubeten»

Im Frühjahr 1753 befasste sich das Chorgericht der Stadt Bern mit einem ungewöhnlichen Fall: Totbeterei – dem Versuch, jemanden durch Gebete umzubringen. Sieben Personen sassen auf der Anklagebank: Abraham Bähler, Jacob Spissmann, ein angeblicher Klosterschaffner namens Franz, Christen Schneider, Christen Ischer, dessen Frau Barbara Ischer sowie ihre Tochter Barbara Eggenberg. Aus den Verhören geht hervor, dass die junge Barbara Eggenberg mit ihrem Ehemann unglücklich war und sich von ihm trennen wollte. Da dies im 18. Jahrhundert aber noch nicht so einfach ging wie heute, schmiedete sie zusammen mit ihren Eltern einen Plan. Der ehemalige Badeknecht Abraham Bähler sollte bezeugen, er habe den Ehemann beim unzüchtigen Verkehr mit einer anderen Frau ertappt. Bähler wies die Familie zuerst zwar ab, kehrte aber acht Tage später zurück und informierte Frau Ischer über die Möglichkeit, den Tod des Schwiegersohns durch Totbeten herbeizuführen. Er habe dafür einen Kontakt beim Franziskanerkloster von Fribourg, den Klosterschaffner Franz, der die Klosterbrüder gegen Bezahlung dazu bringen könne, für den Tod des Schwiegersohns zu beten. Die Familie willigte ein, suchte Franz in Fribourg auf und bezahlte ihm 70 Kronen. In der Folge verlangte Franz aber immer mehr Geld, unter anderem auch für Jacob Spissmann, der als Bote eingesetzt wurde. Spissmann war es schlussendlich, der die Behörden auf den Fall aufmerksam machte - obwohl er zuvor von Ischer einen Louis d’or und zwei Taler als zusätzliches Schweigegeld erhalten hatte.

Bei der Urteilsverlesung traf es Abraham Bähler am härtesten. Er wurde ausgepeitscht und auf ewig aus der gesamten Eidgenossenschaft verbannt. Jacob Spissmann wurde für drei Jahre aus bernischem Gebiet verwiesen. Die Familie Ischer kam vergleichsweise glimpflich davon, Vater und Mutter mussten für je 14 Tage ins Gefängnis, die Tochter für nur zwei. Der Klosterschaffner Franz, welcher sich als einfacher Schreinergeselle entpuppte, konnte nicht gefasst werden.

Auch wenn es sich hier letztlich nur um einen raffinierten Betrug handelte und die Franziskaner von Fribourg niemals tatsächlich ein Totgebet für Barbara Eggenbergs Ehemann sprachen, zeigt diese Episode, wie viele Menschen damals an solche Praktiken glaubten. Es ist wahrscheinlich, dass manche Leute des 18. Jahrhunderts anderen Menschen im Gebet den Tod wünschten, obwohl dies vermutlich nicht die Franziskaner aus Fribourg waren.

Dass die Totbeterei bereits im Mittelalter ein weit verbreitetes Problem war, belegt ein Verbot aus der Trierer Synode von 1227: «Niemand darf aus Hass für einen Lebenden eine Totenmesse singen oder eine Totenbahre mit dessen Namen in der Kirche aufstellen und das Totenoffizium dabei singen, dass er bald sterbe.»

Literatur:

Dürig, Walter. «Die Verwendung des sogenannten Fluchpsalms 108 (109) im Volksglauben und in der Liturgie.» In: Münchener Theologische Zeitschrift 27 (1976): 71-84.

Wagner, Ernst. «Totbeterei im 18. Jahrhundert.» In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 4 (1942): 45-48.

Sieden zweier Männer in ÖL 1392 (Schiling, Spiezer Chronik, S. 506.)

Geköpft, erhängt, oder verbrannt?

Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit gab es eine Bandbreite an Todesstrafen. Der Tod war nach der zeitgenössischen Rechtsprechung eine gängige Strafe für die schwersten Verbrechen. Dazu gehörten schwerer Diebstahl, Raub, Brandstiftung, Mord und verschiedene Religionsdelikte wie Satansanrufung oder Hexerei.

Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde das Hinrichtungswesen der Stadt Bern nun eingehender angeschaut. Speziell die Jahre 1580 bis 1690 wurden ausgewertet und es haben sich interessante Zahlen ergeben. In diesem Zeitabschnitt wurden 236 Personen hingerichtet. Das klingt zunächst nach viel, aber entspricht im Durchschnitt etwas mehr als zwei Personen im Jahr.

Mehr als die Hälfte wurde dabei enthauptet. Der Tod durch das Schwert galt als die mildeste Todesstrafe, da im Optimalfall ein Schwertstreich ausreichte, um den Verbrecher zu töten. Der Tod durch den Strang war um einiges qualvoller. Beim Erhängen reichte die Höhe meistens nicht aus, um zum Genickbruch zu führen, und der Straftäter erstickte langsam. 32 Personen wurden in dieser Zeit erhängt. Weitere 25 Personen wurden verbrannt, eine Strafe, die bevorzugt bei Verbrechen gegen die Religion gebraucht wurde, da dabei der Körper und das begangene Unrecht komplett ausgelöscht wurden. In der Aare wurden 13 Straftäter ertränkt. Der qualvollste Tod war jedoch der durch das Rad. Von 1580 bis 1690 wurden 22 Personen systematisch durch ein Rad die Gliedmassen zertrümmert und anschliessend auf dieses gebunden. Das Rad wurde anschliessend aufgerichtet und die teilweise noch lebenden Verbrecher den Tieren und der Witterung überlassen.